Das goldene Ei
Das goldene Ei
Von diesem altösterreichischen Märchen gibt es einige Fassungen. Eine längere Fassung mit österlichen Motiven ist im Band »Das Geschenk der zwölf Monate – Märchen, Bräuche und Rezepte im Jahreskreis« zu lesen. Aus diesem Band stammt auch die Illustration von Agnes Ofner.
Das goldene Ei – in Mundart:
The golden Egg – The fairy tale in English:
Vor langer, langer Zeit, wars gestern oder war‘s heut, da lebte einmal ein Bub. Sein Vater war Weber. Das war eine mühsame und anstrengende Arbeit und brachte doch nicht viel ein.
Der Sohn ging dem Vater fleissig zur Hand. Gab es sonst nichts zu tun, so spielte er für ihn auf der Flöte. Wenigstens wollte er ihm die Arbeit auf diese Art leichter machen.
Einmal im Frühling saß der Bub draussen im Wald auf einem Baumstumpf und spielte gedankenverloren auf der Flöte um eine neue Melodie zu erlernen. Da kamen plötzlich durch den Wald Gestalten auf ihn zu. Das waren Zwerge!
Der Erste redete ihn gleich freundlich an: »Du spielst wunderschön auf der Flöte. Sag, willst du nicht auch für unsere Königin drinnen im Berg spielen?«
»Warum nicht!?«, lachte der Bub, »Ja, das mache ich sehr gerne.«
»Es wird auch dein Schaden nicht sein!«, meinte ein Zwerg, »Sie wird dich bestimmt reich belohnen!«
Das gefiel dem Burschen umso mehr. Drauf schnappte ihn der Zwerg bei der Hand – und schon ging es zwischen den Bäumen dahin und durch eine Pforte im Fels hinein in den Berg.
So kamen sie in einen prächtigen Saal. Ein Thron aus weissem Marmor stand da. Der war verziert mit Edelsteinen und Diamanten. Auf dem Thron saß eine liebreizende Frau, die Königin vom Berg.
Ihre goldenen Haare zierten wilde Rosen. Ihr blauer Mantel funkelte und leuchtete vor lauter goldenen Sternen. Freundlich sagte sie zum Burschen:
»Weithin ist der Klang deiner Flöte zu hören. Schön spielst du, wunderschön! Spiel doch auch für mich.«
»Freut mich, dass euch mein Spiel gefällt, Majestät.«, sagte der Bursche, »Gern spiele ich für euch« Und schon fing er wieder an zu spielen.
Die Zwerge tanzten vergnügt dazu. So ging das eine Zeit dahin. Schließlich machte die Königin einen Wink und meinte:
»Herrlich hast du gespielt. Nimm das zum Dank!« Drauf gab sie ihm ein Ei. Das leuchtete wie pures Gold.
»Ihr gebt mir das Ei zum Dank für das Spiel?«, meinte er. –
»Ja«, sagte sie, »Nimm es und achte gut darauf! Wickle das Ei jede Nacht in ein Tuch aus feinstem Leinen. So wirst du ein gutes Leben haben.«
Voller Dank nahm er das Ei. Das war wirklich aus purem Gold!
Die Zwerge brachten ihn drauf wieder hinaus aus dem Berg.
Zuhause konnte er immer noch kaum fassen, was er erlebt hatte.
Über Nacht wickelte er das Ei in die Leinwand. In der Früh schaute er neugierig nach. Ja, was kam da zum Vorschein!? – Ein paar blanke Golddukaten fielen heraus. So ging es jetzt jede Nacht und jeden Morgen!
Bald hatten sie Gold über Gold! – Da war die Freude groß.
Alle miteinander hatten sie jetzt ein gutes Leben.
Lange und gut haben sie alle noch gelebt. Glücklich sind sie auch gewesen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie wohl heute noch!
Weitere Märchen gibt es in oberösterreichischer Mundart und in English hier zum Anhören.
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